Friday, November 25, 2005

Der Mensch hat die Pflicht zu helfen

Thursday, November 24, 2005
"Der Mensch hat die Pflicht zu helfen"

ALLMÄHLICH WIRD das Ausmaß der Katastrophe deutlich. Knapp vier Wochen nach dem schwersten Erdbeben in Südasien seit 100 Jahren zählen die Behörden über 70 000 Tote allein in Pakistan. Am 8. Oktober hatten Erdstöße der Stärke 7,6 die Grenzregion zu Indien getroffen. Hier ließen weitere 1300 Menschen ihr Leben. "Erst litten die Bewohner der Kaschmir-Region unter den Folgen des Krieges, jetzt stehen viele von ihnen vor dem Nichts", sagt Waqqas bin Sajid.

Den 26-jährigen Frankfurter und Sohn pakistanischer Eltern haben die Nachrichten und Bilder aus der Region sehr betroffen gemacht. "Viele haben ihr Dach über dem Kopf verloren. Und wer mit dem Leben davon gekommen ist, muss jetzt Krankheiten und Kälte fürchten", sagt der Architekturstudent, der zwar in Deutschland geboren wurde, sich der Heimat seiner Eltern aber von ganzem Herzen verpflichtet fühlt. Morgen Abend wird Waqqas zusammen mit einem Arzt und einem Redakteur der Organisation Humanity First in das Katastrophengebiet fliegen, um die Hilfsmaßnahmen vor Ort zu unterstützen.

Einsatz für die gute Sache

"Jetzt bin ich jung und habe noch die Möglichkeit, so etwas zu unternehmen", sagt Waqqas, der neben seinem Studium als Rettungssanitäter arbeitet. Natürlich habe er ein mulmiges Gefühl, wenn er an die Seuchengefahr und die Nachbeben denkt. "Hier kennt man so etwas ja nicht." Aber die eigenen Bedürfnisse müssten hinter der guten Sache zurückstehen.

Vor etwa einem Jahr ist Waqqas auf die Humanity First aufmerksam geworden. Freunde hatten ihm von der Hilfsorganisation erzählt, die ihren Hauptsitz in London und Dependancen auf der ganzen Welt hat. In Zusammenarbeit mit der internationalen islamischen Gemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat helfen ihre Mitglieder weltweit in Katastrophengebieten und sorgen für bedürftigte Menschen. "Der islamische Glaube ist aber keine Mitgliedsvoraussetzung", sagt Monsoor Ahmad, Pressesprecher der deutschen Abteilung. "Jeder, der sich sozial engagieren möchte, ist herzlich willkommen."

Dinge mit anderen Augen sehen

In Deutschland beispielsweise organisierte Humanity First unmittelbar nach der so genannten Jahrhundertflut 2002 die Essensverteilung in den Krisengebieten. Und als im August 1999 der Süden der Türkei von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde, errichteten die Mitarbeiter notdürftige Unterkünfte für die obdachlosen Menschen.

Der Aufbau von Zeltstädten wird auch die Hauptaufgabe der kleinen Gruppe aus Frankfurt sein, wenn sie am Samstag im Krisengebiet eintrifft. "Außerdem übernehmen wir die Verteilung von Essen und Medikamenten", erklärt Waqqas. Er weiß, dass das keine leichte Aufgabe ist. Viele Straßen sind verschüttet und die Dörfer in den Bergen von der Versorgung abgeschnitten. Weil es kaum Karten gibt, haben er und seine Begleiter sich bei "Google Earth" mit Satellitenbildern der Region vertraut gemacht.

"Ein großes Problem ist auch der einbrechende Winter", sagt Waqqas. "In der Nacht sinkt die Temperatur auf unter null Grad." Mehr als den Inhalt eines Seesacks, den der Student bei Ebay ersteigert hat, wird er jedoch nicht mit ins Flugzeug nehmen können. Dafür hofft der junge Mann mit sehr viel mehr Erfahrung im Dezember zurückzukehren. "Es ist die Pflicht eines Menschen in der Not zu helfen", sagt er. "Ich bin sicher, in einem Monat viele Dinge mit anderen Augen zu sehen."

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